Streber ohne Rückgrat – Oktopoden und ihre kognitiven Fähigkeiten

Was hat acht Arme und wurde 2008, bzw. 2010 für Vorhersagen von Fußball-Ergebnissen befragt?

So manch einer kennt den Namen noch; der Krake Paul. Seine Vorhersagen bewiesen sich bei der Fußball EM 2008 und der WM 2010 in 13 von 15 Fällen als richtig. Ob der liebe Paul tatsächlich Orakel Fähigkeiten hatte oder nicht, bzw. ob es sich hierbei um ein und denselben Kraken handelte (das durchschnittliche maximale Alter von Oktopoden schätzt man auf 2 Jahre und Paul war ja 2008 kein “Baby”) möge hier unbeantwortet bleiben, in diesem Fall interessieren uns vielmehr die Intelligenz und Lernfähigkeit von sog. Oktopus vulgaris – die “gscheide” Bezeichnung von Kraken – an sich.

Schon die Definition von Intelligenz bei Tieren ist strittig. Grob gesagt ist Intelligenz ein Sammelbegriff für die kognitive Leistungsfähigkeit von Lebewesen. Um es einfach auszudrücken; die Fähigkeit, Dinge zu erkennen, zu verstehen und zu abstrahieren. Darüber hinaus zeigt sich “höhere Intelligenz” durch Lernfähigkeit, d.h. Probleme lösen zu können, Wissen zu sammeln und aus dem Gedächtnis anwenden zu können:


Tintenfische sind Weichtiere, Schnecken und Muscheln sind die nächsten Verwandten, aber das Gehirn von Oktopoden ist unter den wirbellosen Lebewesen das leistungsfähigste, was auch in Gefangenschaft schnell verkümmert, wenn man den Tieren nicht genug Abwechslung bietet. Abgesehen davon besitzen sie erstaunlich gute Augen. Der Aufbau ist zwar Anders als der eines menschlichen Auges – sie haben sog. Becheraugen -allerdings ist die Leistungsfähigkeit nochmals um Einiges höher. 

Mal abgesehen von der “technischen Ausstattung”, die Oktopoden vorzuweisen haben, besitzen sie auch verschiedene Stärken und Begabungen. Das Kraken Weibchen Eva z.B. ist eine Spezialistin im Öffnen von Schraubgläsern.

Nachdem man ihr das Öffnen der Schraubbehältern beigebracht hatte, erkannte sie selbst nach mehreren Monaten das “Problem” wieder, als man ihr das Futter im Glas präsentierte. So öffnete daraufhin das Gefäß, indem sie den Deckel gleich in die richtige Richtung drehte. Oktopoden haben den Dreh wirklich raus; die kognitive Leistung: Problem erkannt, Problemlösung erlernt und sich längere Zeit daran erinnert.

Auch als man Eva mit einem Spiegel konfrontierte, betastete sie es zwar ausgiebig, verlor aber schnell das Interesse, nachdem sie erkannte das sie hier keinen Konkurrenten vor sich hat. Oktopoden sind normal Einzelgänger mit ausgeprägtem Revierverhalten und reagieren aggressiv auf Andere Artgenossen, aber Eva hat erkannt dass ihr Spiegelbild kein anderer Artgenosse ist. Allein das ist eine kognitive Leistung, sie abstrahiert aus dem Geschehen, dass keine reale Gefahr besteht.

Oktopoden sind weiters ein Beispiel für das soziale Lernen durch Beobachtung. Kognitionspsychologen der TU Dresden haben einen Oktopus darauf trainiert, eine rote Kugel in seinem Wasserbecken einzusammeln. Weiße Kugeln durfte er ignorieren. Nachdem der Eine trainiert war, ließ man Andere durch eine Glaswand zusehen und siehe da; sie taten es dem Vorführer später gleich, und das auch gleich wesentlich schneller.

Auch der Gebrauch von Werkzeugen wurde bei den Tieren beobachtet. Der Taucher Julian Finn vom Museum Victoria in Melbourne beobachtete und filmte Oktopoden, wie sie vor der Küste von Sulawesi, Kokosnusshälften am Meeresgrund sammeln zu Schutzpanzern umfunktionieren. Dabei rennen sie mit den Schalen auf Tentakelspitzen umher und wenn ihnen jemand zu nahe kommt, setzten sie die diese zu einer hohlen Kugel zusammen, um sich darin zu verstecken. Das Verhalten zeigt die Fähigkeit zum vorausschauendem Handeln, die Oktopoden sichern die Kokosschalen, um sie später zu verwenden. Beim Sammeln besteht gar keine Gefahr, die Werkzeuge sind für den zukünftigen Schutz.

Wissenschaftler wie Christian Miske (Diplombiologe am Zoologischen Institut und Museum der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald) konnte bei Oktopoden sogar unterschiedliche Persönlichkeitstypen nachweisen. Die einen sind eher phlegmatisch, andere eher ängstlich, manche aggressiv oder Andere sogar verspielet – ein Merkmal, das eher Wirbeltieren zugeschrieben wird.

Eines ist klar, Oktopoden wie eben “Fußball-Orakel” Paul oder Eva im Vivarium in Karlsruhe, zeigen – gerade als Wirbellose – außergewöhnliche kognitive Fähigkeiten. Und auch wenn sie in Gefahrensituationen nicht gerade Rückgrat beweisen und lieber hinter einer schwarzen Tintenwolke verschwinden, machen ihre Intelligenz und ihr Charakter All das wieder wett.

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